9.Tagung der VdS-Fachgruppe 'Kleine Planeten' 
vom 10. bis 11. Juni 2006 in der 
Volkssternwarte Drebach



Foto: Helmut Denzau


Tagungsbericht
von Markus  Griesser

Heißer Fußballsommer für kühle Asteroidenfreunde
Laut Teilnehmerliste fanden 34 Asteroidenfreunde den Weg zur Asteroidentagung ins Planetarium nach Drebach, wo sie wiederum ein ebenso reichhaltiges wie interessantes Vortragsprogramm sowie eine liebenswürdige Betreuung erwartete. Die dabei vorgestellten zahlreichen neuen Sternwarten, aber auch die Teilnahme einiger Profi-Astronomen signalisierten das ungebrochene Interesse an den Kleinplaneten. Doch deuten neue Entwicklung auf tief greifende Veränderungen in der künftigen Beobachtungsarbeit hin...

Das so sympathische Motto der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft passte sowohl zeitlich als auch ideell ausgezeichnet zur Kleinplaneten-Tagung. Nachdem ursprünglich Berlin als Austragungsort der Tagung vorgesehen war, wurde eben wegen dieses Königs Fußball der Anlass nach Drebach verlegt. Die dortigen Sternfreunde hatten sich wieder viel Mühe gemacht, die Kolleginnen und Kollegen würdig zu empfangen und auch mit einem reichhaltigen kulinarischen Angebot zu verwöhnen.

Romantischer Einstieg
Nach der Begrüßung durch den Drebacher Bürgermeister Jens Haustein und den Fachgruppenleiter Gerhard Lehmann startete Gastgeber Jens Kandler mit dem ersten Referat. Vor kurzem hat er die Leitung des Planetariums Drebach, das in diesen Tagen sein 20-jähriges Bestehen hatte, übernommen. Mit etwa 20'000 Besuchern pro Jahr, darunter viele Schulklassen und Vereine, gehört das Planetarium mit der integrierten Sternwarte zu den wichtigen Einrichtungen der Region, die unter nicht gerade geringen strukturellen Problemen leidet. Das neue, mit einem ZKP-3-Projektor ausgestattete Planetarium bietet im voll klimatisierten Raum 70 bequeme Sitzplätze. Die Simulationsmöglichkeiten sind enorm, und wenn ein so geschickter Programmgestalter und -begleiter, wie Jens Kandler im Cockpit sitzt, wird der Planetariumsbesuch erst recht zum Erlebnis. Eine Kostprobe aus einem solchen Programm, unterlegt mit stimmungsvoller Musik, ließ erahnen, weshalb sogar Hochzeitsgesellschaften den Weg unter den künstlichen Sternenhimmel finden und sich dort verzaubern lassen. Schon mehrmals sei es im Planetarium zu Heiratsanträgen gekommen: Offenbar legen die Bindungswilligen ihren Angebeteten dabei einen symbolischen Stern zu Füßen - der Planetariumsleiter ermöglicht ja (fast) alles...

Asteroidenabwehr der sanften Art
Im scharfen Kontrast zum romantischen Einstieg stand dann die Ausführung von Dr. Detlef Koschny zum Projekt Don Quijote der ESA. Die von Ingenieuren und nicht von Wissenschaftlern getriebene Mission will Erkenntnisse gewinnen für eine allenfalls mal nötige Asteroidenabwehr. Die typische „Low Cost Mission“ sieht vor, eine Orbiter-Sonde - in Anlehnung an das literarische Vorbild „Sancho“ genannt - zu einem Asteroiden zu schicken. Nach längerer Umkreisung und entsprechend genauer Bahnanalyse des Asteroiden schießt die Sonde den Impaktor „Hidalgo“ mit einer Geschwindigkeit von 8 bis 10 km/s in die Oberfläche und beobachtet dann die Folgen noch längere Zeit. Aus der Größe und der Art des Kraters kann man wichtige Erkenntnisse über den inneren Aufbau des Asteroiden gewinnen. Mit einer weiteren sorgfältigen Bahnanalyse soll dann die Wirkung des Einschlags auf das Bahnverhalten studiert werden. Eine auch nur geringe Bahnabweichung summiert sich im Laufe der Zeit derart hoch, dass damit ein anfliegender Erdenstürmer sanft aus der Bahn gedrückt werden könnte. Noch befindet sich „Don Quijote“ im Planungsstadium und gleich mehrere Varianten werden geprüft. Der Start ist frühestens ab 2011 bis 2017 vorgesehen.

Erfahrungsbericht aus Radebeul
Dass man auch in der Lichterfülle einer größeren Stadt beachtenswerte Beobachtungsergebnisse erzielen kann, machte der junge Martin Fiedler aus Radebeul deutlich. Die Volkssternwarte Radebeul wurde bereits 1959 gegründet, erlebte mehrere Um- und Neubauten und wird seit 1990 vom Astroclub Radebeul geführt. Seit 2004 verfügt das etwa 100 Meter über der Stadt gelegene Observatorium über einen 14-Zoll/f4.5 Maksutow-Newton mit einer CCD-Kamera ST-10 XME. Bemerkenswert: Dieses doch sehr lichtstarke Instrument mit eher ungewöhnlicher Bauart  verfügt über keinen Korrektor! Nach einigen ersten erfolgreichen Beobachtungen am Asteroiden Sedna sowie an Saturnmonden kam Martin auf den Geschmack und erwarb für Radebeul mit Unterstützung aus der FG Kleinplaneten den Stationscode A72. Sieben Entdeckungen schmücken bis heute seine Palmares, davon blieben bis heute vier Designations übrig.

Die nahe Stadt mit ihrer übermäßigen Beleuchtung u.a. auch von Sportanlagen, lässt heute Beobachtungen nur in höheren Ekliptikregionen zu. Damit ergeben sich jahreszeitliche Einschränkungen. Martin Fiedler arbeitet mit einem 2x2-Bining und erreicht mit 10-minütigen Belichtungen die Größenklasse 19.5 m. Das Instrument wird aber auch intensiv für den Publikumsbetrieb genutzt und mit der CCD zusätzlich von Kollegen für Deep-Sky - Aufnahmen eingesetzt. Eine regelmäßige Asteroiden-Arbeit ist so in Radebeul kaum möglich.

Pan STARRS – ein „Super-Rasenmäher“ auf Hawaii
Mit seinem Referat über Pan STARRS bestritt Dr. Peter Kroll, Leiter der Sternwarte in Sonneberg, einen der Höhepunkte dieser Tagung. Pan STARRS steht für Panorama Survey Telescope & Rapid Responce System. Es handelt sich um einen neuen Survey, der alle bisherigen Suchmaschinen wie LINEAR, LONEOS, NEAT, Spacewatch und sogar den neuen Mt. Lemmon-Survey in den Schatten stellen wird. Kernstück des auf Hawaii geplanten und von Direktor  Rolf-Peter Kudritzki, einem gebürtigen Deutschen, geleiteten Projektes sind vier parallel geschaltete 1,8m/ f4-Teleskope, Bautyp RC, mit dreilinsigen Korrektoren. Die dafür vorgesehenen CCD-Kameras vereinigen je 1,4 Gigapixel mit einer Gesamtfläche von 40 x 40 Zentimetern. Dies sind somit mit Abstand die größten, je gebauten CCD-Kameras mit entsprechend hohem Leistungsvermögen. Mit Belichtungszeiten von nur 30 Sekunden werden so rund 6'000 Quadratgrad pro Nacht abgesucht mit Grenzgrößen von 24 mag bei Einzelbelichtungen und 29 mag mit addierten Frames. Somit überstreicht dieser „Staubsauger“ in nur einer Woche den ganzen Himmel mit entsprechend riesigen Datenmengen: Ein einziges Bild beansprucht 2 GB Speicherplatz und in einer Nacht fallen rund 2 Terrabyte an Bilddaten an. Die Datenmengen sind derart gigantisch, dass die Bilder schon bald nach der Auswertung wieder gelöscht werden.

Die wissenschaftlichen Ziele von Pan STARRS sind ambitiös. Die Zahl der erfassten NEOs – und dies ist ja eines der Hauptziele dieser Einrichtung -  soll sich durch diesen Survey auf  über 10'000 erhöhen, wobei auch kleinere Objekte erfasst werden. Die Zahl der Hauptgürtelasteroiden soll dann gar in die Größenordnung von 10 Millionen gelangen. Ferner stehen Veränderliche Sterne, Exoplaneten, Supernovae sowie auch Quasare, aktive Galaxien und diverse kosmologische Fragen beispielsweise zur Galaxienhaufenbildung oder zur dunklen Materie im Fokus dieses auch auf präzise Photometrie ausgelegten Programms.

So stellen sich heute schon einige grundsätzliche Fragen: Welche Rolle wird das MPC angesichts dieser riesigen Datenmengen spielen, zumal das MPC heute schon ziemlich Probleme mit den bestehenden Surveys bekundet? Eng wird’s auch für uns Amateure werden, wenigstens für jene, die bisher auf Neusichtungen aus waren.
Es gibt offenbar Pläne, das Material von Pan STARRS über das Internet öffentlich zugänglich zu machen – die Frage stellt sich einfach, in welchem Zeitfenster und in welcher Form. „Ich bin nur der Bote, schlagt mich nicht!“ – meinte Peter Kroll in der regen Diskussion und verwies darauf, dass auch neben Pan STARRS durchaus noch punktuelle Betätigungsmöglichkeiten für Amateure offen stehen. Und hier der interessante Internet-Link, unter dem auch zahlreiche sehr detaillierte Papers zu finden sind: http://pan-starrs.ifa.hawaii.edu.

Dokumentierte Meteoritenfälle

André Knöfel präsentierte in seinem Referat den Zusammenhang zwischen Meteoritenfällen und Erdnahen Kleinplaneten. Die Fachliteratur weist bis heute acht beobachtete Meteoritenfälle mit nachträglichen Funden aus. Dank den Aufzeichnungen meist durch automatische Meteor-Kameras gelang es bei diesen Objekten, die Flugbahn im Sonnensystem zu rekonstruieren und somit den Nachweis zu erbringen, dass die Meteoriten ihren Ursprung tatsächlich im Asteroidengürtel haben.

Der erste solche Fall ereignete sich am 7. April 1959 in Priban, Tschechien. Es folgte am 4. Januar 1970 der Meteoritenfall in Lost City (Ok, USA), wobei rund 17 kg meteoritisches Material gefunden werden konnten. Der Fall von Innisfree, CA USA, ereignete sich am 6. Februar 1977 und lieferte 4,58 kg Fundmasse. Berühmt war dann der von einem Football-Stadion aus per Video dokumentierte Fall von Peeksskill, NY: Der 12-Kilo-Brocken traf den Kotflügel eines Autos, das seine Besitzerin dann mitsamt dem Meteoriten für gutes Geld an ein Museum verkaufen konnte. Am 18. Januar fiel in Tagish Lake, Kanada, ein 10 kg-Brocken, von dem man zwar nicht die eigentliche Bahn, sondern nur das Nachleuchten fotografieren konnte. Mit gerade mal 0,633 kg Fundmasse war der Fall Moraka in Tschechien am 6. Mai 2000 bei weitem nicht so spektakulär wie der berühmte Fall Neuschwanstein am 6. April 2002, der von vielen Augenzeugen in Mitteleuropa und eben auch von einigen Meteorkameras verfolgt werden konnte. Die Nachsuche im deutsch-österreichischen Grenzgebiet führte bis inzwischen zu drei Funden, wovon heute das erstgefundene, 1.75 kg schwere Stück im Rieskratermuseum Nördlingen liegt. Aus den vom Europäischen Feuerkugelbeobachtungsnetz aufgezeichneten Daten konnte die Umlaufbahn berechnet werden. Es zeigte sich, dass diese auffällig mit der Bahn des Meteoriten Pribram aus dem Jahre 1959 übereinstimmte. Es wurde deswegen vermutet, dass beide Meteoriten vom gleichen Mutterkörper stammen. Pribram ist jedoch im Gegensatz zum Neuschwanstein ein gewöhnlicher Chondrit, so dass dieser Mutterkörper heterogen aufgebaut sein müsste. Es könnte sich beim Ursprungskörper sogar nur um ein von der Gravitation lose zusammengehaltenes Gemenge handeln. Der bisher jüngste Meteoritenfall ist der von Villabeto de la Pena in Spanien, der am 4. Januar 2004 zu 3,5 kg Fundmasse führte.

Asteroiden: Gefahr oder Nutzen für die Menschheit
Ein gutes Beispiel eines populärwissenschaftlichen Vortrags für Zuhörende mit noch wenig Vorkenntnissen über Asteroiden bot Prof. Michael Soffel von der TU Dresden. Ausgehend von der Titius-Bodeschen Reihe, über die ersten Entdeckungen, Benennungen, Asteroiden-Familien und neuere Beobachtungsmethoden mit Fotometrie und Radartechnik bot Soffel einen Einblick in die NEA-Thematik und hier insbesondere zu den schwerwiegenden Folgen eines Einsturzes. Ab einem Asteroiden-Durchmesser von 1700m wäre neben den direkten Folgen, beispielsweise durch einen Tsunami mit rund ein Kilometer hoher Flutwelle, mit globalen Auswirkungen zu rechnen. Bei den möglichen Abwehr-Strategien verwies der Referent einerseits auf die „Hardliner“, die im Stile der Hollywood-Filme „Deep Impact“ und „Armageddon“ den Asteroiden wegbomben, und den „Softies“, die beispielsweise mit einem Sonnensegel den Erdenstürmer sanft aus seiner Bahn schieben möchten.

Interessant dann sein abschließender Blick in die möglichen Nutzungen von Asteroiden einerseits als Rohstofflager und andererseits für Wohnzwecke, beispielsweise in Wohnkolonien. Doch nicht nur die dazu gezeigten Modellskizzen wirkten reichlich utopisch und wollten so gar nicht zu den momentan so dominierenden „Low-Cost-Missionen“ von NASA und ESA passen. Doch wer weis: Vielleicht lösen wir Menschen mit Hilfe der Asteroiden zwei unserer Grundprobleme, nämlich die übermäßige Ausbeutung irdischer Ressourcen  und die Überbevölkerung.

Von „Balkonien“ ins eigenen Sternwartenhaus
„Die Gattin wollte ein eigenes Haus, und ich eine eigene Sternwarte, also bauten wir ein Haus mit Sternwarte“, so brachte Bernd Thinius gleich zu Beginn sein Referat auf den Punkt. Er kann dank des neuen Eigenheims sein bisher in Potsdam von einem Balkon aus betriebene „Inastars Observatory“ in ein rund acht Kilometer entferntes neu erschlossenes Wohnbaugebiet verlegen. Offenbar war aber die Planung der mit einer 2,6-Meter-Kuppel von Baader ergänzten Wohnhauses mit einiger Überzeugungsarbeit für die zuständigen Behörden verbunden. Doch jetzt steht der Bau kurz vor der Vollendung. In die Kuppel kommt ein C-14-Tekeskop auf einer Goto-Montierung, so dass die Beobachtungen bequem aus dem Wohnbereich – vielleicht sogar vom Schlafzimmer aus :-) ? –  heraus erfolgen können. Natürlich erweckte der ungewöhnliche Neubau mit der architektonisch geschickt integrierten Kuppel auch die Neugier von Passanten. Die Medien griffen das Thema auf – allerdings nicht nur mit erfreulichen Berichterstattungen für unseren Sternfreund. Besonders ein Bericht sei sehr reißerisch und mit unsinnigen Bezügen durchsetzt gewesen, ärgert sich Thinius im Nachhinein. Ihn freut hingegen, dass er über einen Abgeordneten mit einer Eingabe die zuständige Behörde dazu bringen konnte, die Strasse, an der auch sein Haus liegt, mit dem Namen von Karl Hermann Struve (1854 – 1920) zu belegen. Unter diesem Institutsdirekter erfolgte nämlich die Verlegung der alten Berliner Sternwarte nach Potsdam.

Eine neue Station in Lindenberg
André Knöfel hat vor einigen Jahren aus beruflichen Gründen seinen Wohnsitz aus Essen nach Lindenberg südöstlich von Berlin verlegt, wo er unter leidlich guten Beobachtungsbedingungen inzwischen auch wieder zur Kleinplanetenarbeit gefunden hatt. Seinen 30 cm/f4-Newton konnte er in der Kuppel eines bestehenden Instrumentes auf dem Gelände des Richard-Assmann-Institutes aufstellen. Ausgerüstet mit einer ST-7XME-Kamera und einer Mintron 12V1C mit Time-Inserter erzielte er inzwischen schon einige hübsche Beobachtungen u.a. aus der NEOCP. Doch André Knöfel möchte sich künftig verstärkt den Lichtkurven von Asteroiden widmen.

Eine neue Profi-Station in Dresden
Dass auch die Profis wieder zu den Kleinen Planeten zurückfinden, machte Dr. H. Potthoff von der TU Dresden deutlich. In den letzten Monaten ist auf dem Triebenberg bei Dresden, unweit des Schlosses Pilnitz, mit einem Neubau die Astronomische Station Triebenberg entstanden. Im eigenwillig konzipierten Gebäude kommt unter einem Schiebedach ein 60cm/f4-Newton von Keller mit einem dreilinsigen Korrektor auf einer Gabelmontierung zu stehen. Das Instrument bekommt eine große 4kx4k-CCD-Kamera voraussichtlich mit dem Kodak-Chip 16801E, Pixelgröße 9 ?m. Das Instrument soll der Lehre und Forschung dienen, wobei Astro- und Fotometrie an Kleinplaneten im Vordergrund stehen. Auch ein wenig Öffentlichkeitsarbeit soll an diesem schönen und auch noch mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Standort möglich sein. Die Inbetriebnahme der mit mehreren hunderttausend Euro realisierten Beobachtungsstation soll noch dieses Jahr erfolgen.

Etwas Statistik
Gerhard Lehmann verwies in seiner traditionellen statistischen Übersicht auf das anhaltend hohe Interesse an den Kleinplaneten. Die Fachgruppe zählte Ende 2005 insgesamt 73 Mitglieder, davon gehörten 51 auch dem VdS an. Das Altersspektrum der FG-Mitglieder ist mit 22 bis 79 Jahren enorm breit. Erfreulich der Zuwachs namentlich auch von jüngeren Beobachtern. Beachtlich schließlich der Hinweis, dass die Fachgruppen-Mitglieder in insgesamt 46 Sternwarten tätig sind. Dass sich in den Beobachtungsstatistiken die Monate Februar und September als „Renner“ entpuppen hat einerseits mit der Witterung und andererseits natürlich mit den astronomischen Sichtbedingungen zu tun.

Leider musste Gerhard Lehmann auch darauf hinweisen, dass bei einigen früher sehr erfolgreichen Sternwarten das Engagement für die kosmischen Kleinkörper stark zurückgegangen ist. Dies liegt hauptsächlich an personellen Veränderung: Fehlt erst einmal der „Motor“ in einer solcher Sternwarte, so ist leider auch bei den übrigen Mitgliedern einer Kleinplaneten-Mannschaft rasch die Luft draußen.

Von Asteroiden und von Menschen
In seiner sonnabendlichen Schlussbetrachtung berichtete Jens Kandler über die Begegnungen von Kleinplaneten mit Kleinplanetenbeobachtern. Nostalgisch dabei sein Rückblick auch mit Film- und Videoausschnitten auf das bewegte Leben der Radsportlegende Gustav Adolf Schur. Sein Spitzname „Taeve“ ist dank der Drebacher Kleinplanetenbeobachter heute himmlisch, denn dies ist der Name des Drebacher Asteroiden Nummer 38976.

Dr. Freimut Börngen erhielt im April für seine großen Verdienste als Tautenburger - Astronom und vor allem auch für seine zahlreichen, so wohlüberlegten Asteroiden-Benennungen nach kulturhistorischen, zeitgeschichtlichen und geografischen Aspekten im April das „Bundesverdienstkreuz am Bande“ überreicht. Jens Kandler konnte an der Verleihung in der Erfurter Staatskanzlei teilnehmen und war zusammen mit weiteren FG - Mitgliedern an einem „Ehren - Kolloquium“ in der Thüringischen Landessternwarte mit dabei. Börngen ist seit Jahren ein treuer Gast an den Kleinplanetentagungen und pflegt freundschaftliche Kontakte zu vielen Sternfreunden.

Ebenfalls mit dabei war der Drebacher Planetariumsleiter am diesjährige MACE 2006, die internationalen Tagung von Kleinplaneten- und Kometenspezialisten in Wien. Dieser groß angelegte Fachkongress mit zahlreichen Vorträgen und Workshops fand auf der Kuffner - Sternwarte in Wien statt. Moritz Kuffner (1854 – 1939) war ein reicher Brauereibesitzer mit ausgeprägten astronomischen Interessen. So wurde den heutigen Betreuern der ausgezeichnet restaurierten Sternwarte offiziell der Asteroid (12568) Kuffner überreicht. Entdeckt wurde dieser Brocken übrigens auf der Station 120 Visnjan.

Rückkehr vom Asteroiden
In seinem zweiten Referat berichtete Dr. Detlef Koschny am Sonntagmorgen vom Programm „Cosmic Vision“ der ESA. Es geht dabei um die langfristigen Ziele der europäischen Raumfahrtagentur im Zeitraum von 2015 bis 2025, wobei für alle Projekte zusammen ein Budget von etwa drei Milliarden Euro zur Verfügung stehen soll. Unter diesen langfristigen Projekten ist auch eine Mission, die zu einem Asteroiden fliegen soll und die dann von dort Materialproben zur detaillierten Analyse zur Erde zurückbringen soll, ähnlich der „Star-Dust“-Mission der Amerikaner. Man erhofft sich Antworten auf so wichtige Fragen nach dem Zustand des solaren Ur-Nebels, bei der Bildung von erdähnlichen Planeten und der Entstehung von Leben. Die Mission muss zwangläufig eine ziemlich komplizierte Bahn verfolgen, wobei auch bei der Gewinnung und Rückführung der Probe einige knifflige Probleme zu lösen sind, obwohl die Probe nur gerade 100 Milligramm umfassen soll. Ein international zusammengesetztes Team ist an der Arbeit, wobei auch eine Zusammenarbeit mit Japan vorgesehen ist.

Prozessdiskussionen
Ausgehend vom Asteroiden „Wildberg“, den er entdeckt und benannt hat, berichtete Rolf Apitsch von den damit verbundenen Presseaktivitäten bei der Übergabe einer mit Siegel versehenen Urkunde an den Bürgermeister der Stadt. Geplant sind im Nachgang dieser Aktion weitere Projekte in den Wildberger Schulen u.a. mit verschiedenen Schülerarbeiten, mit einem Wettbewerb und mit einer Ausstellung. Bei der Prozessanalyse im Zusammenhang mit neu entdeckten Asteroiden, dem eigentlichen Vortragsthema, stellte der Referent drei Fragen: Wie verbinde ich Beobachtungen am mutmaßlich gleichen neuen Objekt über mehrerer Nächte hinweg? Wie kann ich auf unveröffentlichte Daten - gemeint waren Precoveries - zugreifen? Wie können wir uns innerhalb der Fachgruppe gegenseitig mit Follow - up - Beobachtungen unterstützen? Zu letzterer Frage regte der Referent an, auf dem Server der Fachgruppe ein entsprechendes Forum einzurichten.

Wertvolle Sternfinsternisse
Dr. Helmut Denzau, der auch für seine Naturfotografien weltweit viel unterwegs ist, berichtete in seinem Referat ausgerechnet von „Bedeckungsbeobachtungen – ohne zu reisen“. Der Referent betreibt bekanntlich an der Ostsee ein C14-Teleskop mit einem 6-Zoll-Mak als Leitrohr sowie mit einem Restlichverstärker und einer Mintron-Kamera und berichtete gewohnt kurzweilig von Sternbedeckungen durch Asteroiden. Aus möglichst vielen zeitpräzisen und geografisch unterschiedlichen Beobachtungen kann bekanntlich die Größe und die Form eines Asteroiden abgeleitet werden. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang der möglichst genau vorausberechnete Verlauf des Finsternispfades. Doch offenbar kann es heute noch immer wieder zu Überraschungen kommen. Helmut Denzau schilderte mehrere Bedeckungen, bei denen er bedauerlicherweise als einziger eine positive Messung vermelden konnte. Insgesamt hat er bis heute 20 Sternbedeckungen mitverfolgt, davon waren immerhin 7 positiv. Doch auch negative Beobachtungen haben ihren Wert, weil durch sie jeweils die obere und die untere Kante der Asteroidenscheibe eingegrenzt werden kann. Denzau ermuntert deshalb möglichst viele Kleinplanetler dazu, sich an solchen Bedeckungsbeobachtungen zu beteiligen. 

45cm-Newton im Selbstbau
Wolfgang Ries aus Altschwendt, Österreich, der schon letztes Jahr von seiner weitgehend im Eigenbau erstellten Sternwarte berichtet hatte, konnte von Fehlern, aber vor allem auch von weiteren Fortschritten und vielen Erfolgen berichten. Auf Fehler in den übermittelten Beobachtungsdaten reagiert das MPC bekanntlich schon seit geraumer Zeit mit einem „Junk-Mail-Rating“, die – so ärgerlich diese Prozentangaben manchmal auch sind – den Beobachtern doch helfen, korrekt formatiertes Material abzuliefern.

Ries hat seit vergangenem Herbst einen selbst geschliffenen  45cm-Newton in einem Gittertubus in Leichtbauweise mit Karbonstäben im Einsatz. Bei 1600 mm-Brennweite setzt er ihn mit einem Keller-Korrektor ein und erreicht mit diesem hübschen Eigenbau-Teleskop in 30 Sekunden Belichtung bereits die 19 und nach 10 Minuten Belichtung gar die 22. Größe. Zum Schluss seiner eindrücklichen Präsentation zeigte der Referent einige Langzeitbelichtung von „kosmischen Begegnungen“. Die zum Teil recht langen Strichspuren bilden dabei zu den perfekt ausbelichteten Aufnahmen von Galaxien einen sehr hübschen Kontrast. Einige dieser Fotos sind auch im neuesten VdS-Journal zu bewundern.

Das nächste Mal wieder in Berlin
Die nächste Kleinplaneten-Tagung findet am Vollmond-Wochenende 2./3. Juni 2007 in der Archenhold-Sternwarte in Berlin statt. Sven Andersson und Martina Haupt von der Station A37 Müggelheim haben freundlicherweise die Organisation übernommen und nutzen dabei ihre guten Kontakte zur Archenhold-Sternwarte.





Tagungsprogramm

Sonnabend, 10. Juni 2006
09:00-09:15
Begrüßung
Jens Haustein (Bürgermeister)
Jens Kandler (Sternwarte)
Gerhard Lehmann (Fachgruppe)
09:20-09:35
Das Planetarium Drebach
Jens Kandler
09:40-10:10
Don Quichotte - eine Studie über eine Asteroidenabwehrmission der ESA Dr. Detlef Koschny
10:15-10:30
Vorstellung von A72 Radebeul Martin Fiedler
Pause mit Kaffee/Tee und Gebäck
11:00-11:30
Pan-STARRS, ein Frühwarnsystem auf Hawaii Dr. Peter Kroll
11:35-12:05
Verbindungen zwischen Meteoritenfällen und NEAs André Knöfel
12:10-12:15
Tagungsfoto

Pause mit Kaffee/Tee und Imbiss
13:30-14:15 Asteroiden: Gefahr oder Nutzen für die Menschheit? Prof. Michael Soffel
14:20-14:50
Eine neue Privatsternwarte im Land Brandenburg: Inastars Observatory Potsdam (IOP) Bernd Thinius
14:55-15:15
Die neue Station A80 Lindenberg am Richard-Aßmann-Observatorium André Knöfel
Pause mit Kaffee/Tee und Kuchen
15:45-16:05 Triebenberg: Ein neues Observatorium bei Dresden
Dr.-Ing. Helfried Potthoff
16:10-16:30
Zur Arbeit der FG Kleine Planeten der VdS Gerhard Lehmann
16:35-16:50
Begegnungen von Kleinplaneten und Kleinplanetenbeobachtern
Jens Kandler

Sonntag, 11. Juni 2006
09:00-09:40
Das ESA Programm Cosmic Vision und eine NEO Sample Return Mission? Dr. Detlef Koschny
09:45-10:30
Kleinplanet entdeckt! Und was nun? Eine Prozess-Diskussion. Rolf Apitzsch
Pause mit Kaffee/Tee und Gebäck/Kuchen
11:00-11:20
Bedeckungsbeobachtungen ohne zu reisen Helmut Denzau
11:25-11:45
Ein Jahr A44 Altschwendt Wolfgang Ries
11:50-12:00
Verabschiedung